Was wir zu sehen glauben26. Februar bis 27. März 2011

Stiftung AKKU, Emmenbrücke

Kuratiert von Isolde Bühlmann

Kunst soll den Horizont des Erwartbaren durchbrechen und ist zugleich Erinnerungsarbeit: Das Geschehene, das Erlebte, das Beobachtete, das Gedachte, das Vergessene wird Bild. Ob eine Sache, ein Gegenstand, ein Thema oder ein Problem zum Kunstwerk werden, hängt nicht von der materiellen Beschaffenheit der Darstellung ab, sondern von ihrer Aussagefähigkeit.

 

Die Luzerner Künstlerin Irene Naef vertraut auf die Magie und Kraft der bildlichen Auslegung und Sinndeutung. Sie sieht Bilder und sie transformiert diese in neue Erscheinungen, sie verändert Perspektiven, vergrössert Oberflächen, fusioniert Motive, dreht Standorte um – und dringt so durch Aussenansichten in völlig neue evokative Strukturen ein: zauberhafte und zeitlose Räume mit Rhythmik, Schwingungen und farbkosmischen Energiefeldern. Irene Naef bedient sich des älteren Inventars der Kunstgeschichte und der aktuellen fotojournalistischen Berichterstattung. Sie entdeckt das schwebende Gleichgewicht in der Natur, von Tag und Nacht, Hell und Dunkel, Transparenz und Obskurität, die Kraft des Ausdrucks in alltäglichen Gegenständen, und sie hat selbst Augen für das Spiel der wirbelnden Farben in der Wäschetrommel. Sie holt die Welt ins Atelier und hebt mit vielfältigen bildnerischen Mitteln, mit der Zeichnung, mit Farbmalerei und – heute schwergewichtig – der Fotobearbeitung am Computer die unseren Augen gewöhnlich verborgenen Schichten und Erscheinungen ans Licht. Die Künstlerin ist eine Abenteuerin auf der Suche nach dem Zufälligen, das sich in Umrisse, Verdichtungen und Anordnungen formen lässt, nach Partikeln, die zur teppichartigen Textur verwebt werden können.  Die Ausstellung in der Kunstplattform akku enthält verschiedene Werkgruppen und eigens für die Räumlichkeiten geschaffene Arbeiten. Sie zeugen davon, wie Irene Naef mit fragender Neugier und verblüffend-handwerklicher Verarbeitung ihre Motive aus Verstecken holt und zu schwarzweissen oder farbigen Erzählungen umwandelt.

 

Kunst sei das Mikroskop, so ungefähr hat der vor hundert Jahren gestorbene Schriftsteller Leo Tolstoi formuliert, das der Künstler auf die Geheimnisse seiner Seele einstelle, um diese allen Menschen zu zeigen. Dass Kunst die Fähigkeit hat – haben muss –, die Emotionen vom Objekt auf das Subjekt, von der Künstlerin auf uns Betrachter zu übertragen, kommt an dieser Ausstellung spürbar zum Vorschein. Karl Bühlmann | 2011

 

www.akku-emmen.ch/Ausstellungen/Archiv