Aus dem Begleitheft zur Ausstellung "Zeitspuren - Zeichnungen aus der Zentralschweiz",
akku Kunstplattform, 27.08. - 23.10.2022,
Gruppenausstellung aus der Ausstellungsreihe "DESSIN - Zentralschweizer Zeichnung"
Der Linienverlauf in Irene Naefs Arbeit Giochi del filo (Ariadne) II erscheint im Hinblick auf den Enstehungsprozess eindrücklich aber nicht mehr nachvollziehbar. Vielmehr dominiert die Überlagerung der Linienführung, welche uns ihre Variationen und Möglichkeiten vorführt, die sich im illusionistischen Spiel von gestalteter Plastizität gipfeln. Die Anlehnung an das Fadenspiel, beim dem mit einem um beide Hände gewickelten Faden mit Hilfe verschiedener Hand- und Fingerspreizungen unterschiedliche Formen entworfen und weiterentwickelt werden können, ist überzeugend. Eine der Schwierigkeiten des Spiels besteht u.a. darin, die vorangegangenen Abläufe für die Entwicklung neuer Formen nachvollziehen und für sich nützlich zu machen, damit das Fadenspiel nicht in einem formlosen Chaos endet - was ohnehin auch als Weg neuer Formenfindung gilt, aber der subjektiven Auslegung unterliegt.
Diese Schwierigkeit und Ambivalenz mache sich auch in der interpretativen Auslegung des Ariadnefadens deutlich, der als entlehntes Motiv einer antiken mythologischen Erzählung gleichwohl für die Befreiung und das Verlassenwerden Ariadnes durch Theseus zu stehen vermag: Einerseits als rettender Leitfaden des Theseus, um den Rückweg aus dem Labyrinth des Minotaurus zu finden und andererseits losgelöst von der Funktion als zurückgelassenes Fadenknäul, das uns von den uneingelösten, gemeinsamen Plänen der beiden unterrichtet.
Marius Geschinske 2022